FOTOS: PRIVAT, GETTY IMAGES, DPA PICTURE-ALLIANCE, DEUTSCHER WETTERDIENST/BKG
Ich bin das fliegende Auge
Petra Feldmann (52) behält den Überblick.
Sie wacht aus der Vogelperspektive über unsere
Wälder - und da geht's mitunter brenzlig zu.
Text: Sibylle Royal
Am Flugplatz Hildesheim wartet schon die Cessna 206 mit der charakteristischen roten
Lackierung auf Petra Feldmann. Sobald die Einsatzleitung ruft, steigt die IT Sachbearbeiterin
an ihren freien Tagen in die Luft. Und was sie von oben sieht, geht uns alle an.
Denn die Sommermonate 2020 Waren weltweit die drittwärmsten seit Beginn
der Wetteraufzeichnungen 1880. Die lang anhaltende Trockenheit sorgte für
Zündstoff in unseren Wäldern. Und Petra hält ständig Ausschau nach Feuer
und Flamme. Was die 52-Jährige in ihrem Ehrenamt beeindruckt und wie
sie den letzten Sommer erlebte, erzählt die Gifhornerin uns hier.
Was machen Sie hier gerade am Flieger?
Unsere Cessna wird Ende September von der ganzen Crew geputzt. Gäbe es Corona nicht,
würden wir danach das Saisonende im Flugplatz-Diner feiern.
Weie war die Saison 2020?
Wir entdeckten einige Brände mehr als die Jahre zuvor. Aber
zum Glück waren die meisten Waldbrände örtlich begrenzt.
Richten Sie ihren ersten Blick morgens tatsächlich gen Himmel?
Ja, oder gleich aufs Handy. Ich habe eine App, die den Waldbrandgefahrenindex anzeigt.
Ab Stufe vier lege ich meine Uniform bereit. Bei fünf fliegen wir auf jeden Fall los.
Was machen Sie denn überhaupt in der Luft?
Wir sind eine Art zusätzliches Auge. Ich sitze neben dem Piloten, halte Funkkontakt zur
Feuerwehrleitstelle am Boden. Der Förster auf der Bank hinter uns verfolgt auf seiner digitalen Karte,
welche Art von Wald unter uns liegt. Und alle drei starren wir aus den Fenstern,
halten Ausschau nach Rauch. Unsere Wälder in Niedersachsen werden zusätzlich rund
um die Uhr von Bodenkameras beobachtet. Aber aus der Luft haben wir den Überblick. Das
menschliche Auge erkennt einfach besser, ob nur Staub über dem Moor aufgewirbelt wurde
oder tatsächlich ein Feuer Rauch aufsteigen lässt.
Was haben Sie auf ihrem Letzten Beobachtungsflug entdeckt?
Einen Gebäudebrand. Allerdings war die Feuerwehr auf dem Boden schon unterwegs
zu dem Einzelgehöft. Eigentlich waren wir ja zu einem Waldbrand entlang einer Bundesstraße gerufen worden. Wir
werden nämlich auch als Unterstützung angefordert, um nach weiteren Brandherden Ausschau zu halten und um bei der
Einsatzkoordination zu helfen.
Was braucht man denn, um Ihren Job zumachen?
Einen robusten Magen (lacht). Wenn wir ein Feuer mitten im Wald entdecken, kreisen wir
manchmal minutenlang, um die Löschzüge zur Stelle zu navigieren. Generell muss man
Feuerwehr-Zugführer sein und wird in speziellen Lehrgängen auf die Aufgaben in der Luft
vorbereitet, etwa in Digitalfunk, Kartenkunde oder worauf man im Flieger achten muss.
Wo war es in den letzten Wochen besonders brenzlig?
Im Harz. Deshalb hatten wir unsere Vier-Stunden-Standardrunde über die Moor- und
Heidelandschaften ausgedehnt. Die Bäume im Harz sind so stark vom Borkenkäfer befallen, dass nur noch Skelette
im Naturpark stehen. Wenn es dort brennt, wird es heftig: Nadelbäume brennen noch schneller als Laubbäume,
und das Gebiet ist über Wege schwer erreichbar.
Welcher Flug hat Sie nachhaltig augewühlt?
Mein erster über den Harz: Die Berge wirken von oben gewaltig − das macht ehrfürchtig. Wie
klein wir Menschen doch sind! Gleichzeitig erschreckte mich das Ausmaß des Waldsterbens:
als hätte man eine Schachtel Streichhölzer über den Gipfeln ausgeleert.
Warum machen Sie das überhaupt, ganz ohne Lohn?
Ich gehe gern durch den Wald. Und als Flugbeobachterin kann ich meinen kleinen Beitrag zum
Naturschutz leisten. Außerdem genieße ich den Blick von oben auf unsere Erde: Bei jedem Flug
ist er anders, aber immer wieder wundervoll!
30.09.2020 / Seite 70
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