Landeszeitung 22.04.1963

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Ausgabe: LZ  Datum: 22.04.1963

ALS "AUGE DER FÜHRUNG"

Der Feuerwehr sind Flügel gewachsen

Geburtsstunde des ”Zivilen Luftnotdienstes” - Interessante Anfänge in Braunschweig und Lüneburg

Auf dem Flugplatz Braunschweig-Waggum erhielten die ersten vier Feuerwehrführer der Bundesrepublik nach mehrmonatiger Ausbildung im Beisein von über hundert Feuerwehrkmeraden aus dem Regierungsbezirk Lüneburg, vor allem aus dem Landkreis Gifhorn, im Rahmen einer Feierstunde ihre Urkunden als Beobachter des ”Zivilen Luftnotdienstes”. Vor dem Flughafengebäude von Waggum war ein halbes Dutzend buntlackierter Sportflugzeuge aufgestellt. Die Feuerwehrkapelle von Essenrode spielte den ”FIiegerrmarsch”. Der blauseidene Himmel hing überall voller Motor- und Segelflugzeuge. Von Zeit zu Zeit schwebten aus verschiedenen Höhen die weißen Fallschirme der Sportspringer sanft zu Boden. Im ”Glaskasten” der Flugleitung quäkte es in Deutsch und Englisch aus dem Lautsprecher des Flugsicherungsfunks, der mit den unsichtbaren Fäden der Ultrakurzwelle das kunterbunte Treiben auf dem Rollfeld und in der Luft lenkte. Dieses bewegte Bild war der angemessene Hintergrund, den ”Zivilen Luftnotdienst” offiziell aus der Taufe zu heben.

Unter den Ehrengästen waren u. a. der Vorsitzende des Landesfeuerwehrverbandes Niedersachsens Bezirksbrandmeister Helmers − Brinkum, Bezirksbrandmeister Landrat Hermann Hahn − Melbeck, Kreisbrandmeister Hermann Meyer − Oerzen sowie der Geschäftsführer des Landesfeuerwehrverbandes Wente − Hannover. Ferner eine Abordnung des Luftsportvereins Lüneburg der gleichfalls in Kürze im Rahmen des ”Zivilen Luftnotdienstes” an den Start gehen wird. Nicht zuletzt waren mehrere führende Persönlichkeiten des Deutschen Aero-Clubs, Landesverband Niedersachsen, an ihrer Spitze Vizepräsident Heimbs −Braunschweig, gekommen.

Die Idee, durch Beobachtung aus der Luft der Feuerwehrfürung ein ”schnelles drittes Auge” zu geben, ist in anderen Ländern nicht neu. In der Bundesrepublik war es kein Zufall, daß zuerst im Niedersächsischen Zonenrandgebiet ähnliche Gedanken auftauchten, als man kritisch die Erfahrungen aus der Sturmflutkatastrophe und einer Reihe verheerender Waldbrände der letzten Jahre auszuwerten begann. Denn ausgerechnet in den Kreisen, die mit eschütternder Regelmäßigkeit alljährlich von Brandkatastrophen und Überschwemmungen heimgesucht werden, stehen die üblichen Hilfeleistungen der Bundeswehr mit Rücksicht auf die Grenznähe an entscheidenden Stellen nur beschränkt oder überhaupt nicht zur Verfügung. Für die Luftwaffe ist beispielsweise ein Sicherheitsstreifen von rund 30 Kilometer parallel zum Eisernen Vorhang Sperrgebiet, das überhaupt nur mit schwer zu erlangenden Sondergenehmigungen höchster Stellen von Militärflugzeugen beflogen werden darf.

Diese Lücke zu schließen haben sich die Initiatoren des ”Zivilen Luftnotdienstes” vorgenommen. Das Ziel ist, in engem Zusammenwirken zwischen den Sportfliegern des Deutschen Aero-Clubs und den verschiedenen Hilfsorganisationen einen Stamm von Flugzeugbesatzungen (Flugzeugführer und Beobachtern) auszubilden, die in der Lage sind, ”wenn es brennt” Innerhalb einer halben Stunde in der Luft zu sein, um über Funksprech der Einsatzleitung am Boden ein genaues Bid der Lage zu geben.

Soweit ist es freilich noch nicht. Aber die Anfänge in Braunschweig und Lüneburg sind ermutigend.

”Ich hoffe zuversichtlich, daß sich dieses Samenkorn schnell weiter ausbreiten wird”, sagte Landesvorsitzender Helmers im Namen der rund 100000 in 3500 Wehren zusammengescblossenen niedeesächsischen Freiwilligen Feuerwehrmänner. Er fügte hinzu, daß gerade die modernen technischen Geräte der Feuerwehren mit ein Grund dafür sind, da&sszlig; es im Feuerschutzwesen keine Nachwuchssorgen gibt.

Bezirksbrandmeister Hermann Hahn hob in seiner Ansprache besonders die Erfahrungen des Waldbrandjahres 1959 mit seinen Millionerschäden und der Sturmflut 1962 hervor: ”Was hätten wir damals darum ge- geben, wenn uns ein Flugzeugbeobachter hätte sagen können. was wirklich los war. Alle Telefone abgesotfen. Kraddmelder blieben stecken, überall Wasser. Niemand, der Bescheid wußte. Die Lufttwaffe mit Schwerpunkt zur Rettung Hamburgs eingesetzt. Oder: Es brennt im Wald. von überall rücken die Wehren an, alles ist verqualmt, sehr schwer erst einmal festzustellen wo der Schwerpunkt des Löschangriffs Liegen muß. Hier kann nur das Flugzeug helfen. wir haben nicht nur das Recht, wir haben sogar die Pflicht, den Luftnotdienst weiter auszubauen. Dazu ist in enger Zusammenarbeit mit den Organisationen des Luftsports eine sorgfältige Ausbildung notwendig.”

Der Vizepräsident des Deutschen Aero Clubs, Landesverband Niedersachsen, Ernst Heimbs, bekundete das Interesse und die Bereitwilligkeit der Sportflieger, sich in der Stunde der Not in den Dienst an der Allgemeinheit zu stellen. Heimbs und Helmers fanden dankbare Worte besonderer Anerkennung für Niedersachsens ersten echten „fliegenden Feuerwehrmann”, Karl Z i p s e , der zugleich Brandmeister von Essenrode und Flugzeugführer ist. Zipse hat sowohl die Sportflieger als auch seine Feuerwehrkameraden für die neuartige Zusammenarbeit interessieren und begeistern können. Er fand beim Braunschweiger Aero-Club und in seinem zuständigen Kreisbrandmeister Friedrich Meyer aufgeschlossene Förderer der neuen Idee. Friedrich Meyer sah man die Freude an, als er den vier ersten Luftbeobachtern unter dem vereinigten Beifall von Feuerwehrmännern und Fliegern die Urkunden mit Handschlag überreichte.

Draußen vor den großen Fenstern des Flughafenrestaurants von Waggum steuerten die in Minutenabstand mit interessierten Feuerwehrmännern an Bord startenden und landenden Flugzeuge die akustische und optische Kulisse der an diesem Tag sichtbar besiegelten Freundschaft zwischen Feuerwehr und Fliegern bei. -VMCRedaktlon

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