ALS "AUGE DER FÜHRUNG"
Der Feuerwehr sind Flügel gewachsen
Geburtsstunde des ”Zivilen Luftnotdienstes” - Interessante Anfänge in Braunschweig und Lüneburg
Auf dem Flugplatz Braunschweig-Waggum
erhielten die ersten vier Feuerwehrführer
der Bundesrepublik nach mehrmonatiger
Ausbildung im Beisein von über hundert
Feuerwehrkmeraden aus dem Regierungsbezirk
Lüneburg, vor allem aus dem Landkreis Gifhorn, im Rahmen einer Feierstunde
ihre Urkunden als Beobachter des
”Zivilen Luftnotdienstes”.
Vor dem Flughafengebäude von Waggum
war ein halbes Dutzend buntlackierter Sportflugzeuge aufgestellt.
Die Feuerwehrkapelle von Essenrode spielte den ”FIiegerrmarsch”.
Der blauseidene Himmel hing überall voller
Motor- und Segelflugzeuge. Von Zeit zu Zeit
schwebten aus verschiedenen Höhen die weißen Fallschirme der Sportspringer sanft zu
Boden. Im ”Glaskasten” der Flugleitung
quäkte es in Deutsch und Englisch aus dem
Lautsprecher des Flugsicherungsfunks, der
mit den unsichtbaren Fäden der Ultrakurzwelle das kunterbunte
Treiben auf dem Rollfeld und in der Luft lenkte. Dieses bewegte
Bild war der angemessene Hintergrund, den
”Zivilen Luftnotdienst” offiziell aus der Taufe zu heben.
Unter den Ehrengästen waren u. a. der Vorsitzende des
Landesfeuerwehrverbandes Niedersachsens Bezirksbrandmeister Helmers − Brinkum,
Bezirksbrandmeister Landrat Hermann Hahn − Melbeck, Kreisbrandmeister
Hermann Meyer − Oerzen sowie der Geschäftsführer des Landesfeuerwehrverbandes
Wente − Hannover. Ferner eine Abordnung des Luftsportvereins Lüneburg der
gleichfalls in Kürze im Rahmen des ”Zivilen Luftnotdienstes” an den Start gehen wird.
Nicht zuletzt waren mehrere führende Persönlichkeiten des Deutschen Aero-Clubs,
Landesverband Niedersachsen, an ihrer Spitze
Vizepräsident Heimbs −Braunschweig, gekommen.
Die Idee, durch Beobachtung aus der Luft
der Feuerwehrfürung ein ”schnelles drittes Auge” zu geben, ist in anderen Ländern nicht
neu. In der Bundesrepublik war es kein Zufall, daß zuerst im Niedersächsischen
Zonenrandgebiet ähnliche Gedanken auftauchten, als man kritisch die Erfahrungen aus der
Sturmflutkatastrophe und einer Reihe verheerender Waldbrände der letzten Jahre
auszuwerten begann. Denn ausgerechnet in den
Kreisen, die mit eschütternder Regelmäßigkeit alljährlich von Brandkatastrophen und
Überschwemmungen heimgesucht werden, stehen die üblichen Hilfeleistungen der
Bundeswehr mit Rücksicht auf die Grenznähe an entscheidenden Stellen nur beschränkt oder
überhaupt nicht zur Verfügung. Für die Luftwaffe ist beispielsweise ein Sicherheitsstreifen
von rund 30 Kilometer parallel zum Eisernen Vorhang Sperrgebiet, das überhaupt nur mit
schwer zu erlangenden Sondergenehmigungen
höchster Stellen von Militärflugzeugen beflogen werden darf.
Diese Lücke zu schließen haben sich die
Initiatoren des ”Zivilen Luftnotdienstes” vorgenommen. Das Ziel ist, in engem
Zusammenwirken zwischen den Sportfliegern des Deutschen Aero-Clubs und den verschiedenen
Hilfsorganisationen einen Stamm von Flugzeugbesatzungen (Flugzeugführer
und Beobachtern) auszubilden, die in der Lage sind, ”wenn es brennt” Innerhalb einer halben
Stunde in der Luft zu sein, um über Funksprech der Einsatzleitung am Boden ein
genaues Bid der Lage zu geben.
Soweit ist es freilich noch nicht. Aber die Anfänge in Braunschweig und Lüneburg sind ermutigend.
”Ich hoffe zuversichtlich, daß sich dieses
Samenkorn schnell weiter ausbreiten wird”,
sagte Landesvorsitzender Helmers im Namen
der rund 100000 in 3500 Wehren zusammengescblossenen niedeesächsischen Freiwilligen
Feuerwehrmänner. Er fügte hinzu, daß
gerade die modernen technischen Geräte der
Feuerwehren mit ein Grund dafür sind, da&sszlig;
es im Feuerschutzwesen keine Nachwuchssorgen gibt.
Bezirksbrandmeister Hermann Hahn hob
in seiner Ansprache besonders die Erfahrungen des Waldbrandjahres 1959 mit seinen
Millionerschäden und der Sturmflut 1962 hervor: ”Was hätten wir damals darum ge-
geben, wenn uns ein Flugzeugbeobachter hätte
sagen können. was wirklich los war. Alle
Telefone abgesotfen. Kraddmelder blieben
stecken, überall Wasser. Niemand, der Bescheid wußte. Die Lufttwaffe mit Schwerpunkt
zur Rettung Hamburgs eingesetzt.
Oder: Es brennt im Wald. von überall rücken die Wehren an, alles ist verqualmt, sehr schwer
erst einmal festzustellen wo der Schwerpunkt
des Löschangriffs Liegen muß. Hier kann nur
das Flugzeug helfen. wir haben nicht nur das
Recht, wir haben sogar die Pflicht, den Luftnotdienst weiter auszubauen.
Dazu ist in enger Zusammenarbeit mit den Organisationen
des Luftsports eine sorgfältige Ausbildung notwendig.”
Der Vizepräsident des Deutschen Aero Clubs, Landesverband Niedersachsen, Ernst
Heimbs, bekundete das Interesse und die Bereitwilligkeit der Sportflieger, sich in der
Stunde der Not in den Dienst an der Allgemeinheit zu stellen. Heimbs und Helmers
fanden dankbare Worte besonderer Anerkennung für Niedersachsens ersten echten „fliegenden
Feuerwehrmann”, Karl Z i p s e , der zugleich Brandmeister von Essenrode und
Flugzeugführer ist. Zipse hat sowohl die Sportflieger als auch seine Feuerwehrkameraden
für die neuartige Zusammenarbeit interessieren und begeistern können. Er fand
beim Braunschweiger Aero-Club und in seinem zuständigen Kreisbrandmeister Friedrich
Meyer aufgeschlossene Förderer der neuen Idee. Friedrich Meyer sah man die Freude
an, als er den vier ersten Luftbeobachtern unter dem vereinigten Beifall von Feuerwehrmännern
und Fliegern die Urkunden mit Handschlag überreichte.
Draußen vor den großen Fenstern des Flughafenrestaurants
von Waggum steuerten die in Minutenabstand mit interessierten Feuerwehrmännern
an Bord startenden und landenden Flugzeuge die akustische und optische
Kulisse der an diesem Tag sichtbar besiegelten Freundschaft zwischen Feuerwehr
und Fliegern bei. -VMCRedaktlon
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