Sie heben ab, wenn es richtig heiß wirdFeuerwehr-Flugdienst startet von Hildesheim aus zur Waldbrand-überwachung / Retter fürchten um Rückhalt aus der PolitikHildesheim (cwo). Es sind dramatische Tage im August 1975, und sie brennen sich auch ins Gedächtnis des Schönewörder Ortsbrandmeisters Rolf Feldmann ein. Als junger Feuerwehrmann stemmt sich der damals 23-Jährige mit seinen Kameraden eine Woche lang bei Neudorf-Platendorf gegen die Waldbrand-Katastrophe in der Südheide. Ständig wechselnde Winde treiben die Brände an, bringen die Retter an den Rand der Erschöpfung. Doch sie überleben – während nur 20 Kilometer entfernt bei Meinersen fünf Feuerwehrleute aus Hohenhameln und Fallersleben von den Flammen eingeschlossen werden und umkommen. Feldmann hat das nie vergessen. Auch deshalb ist er heute nach Hildesheim gefahren. Kalter Wind fegt über das Flugplatzgelände, als sich eine bunte Truppe zusammenfindet. Feuerwehrleute wie Feldmann in Uniform, Forstinspektoren, dazu ein paar Männer in Flieger-Outfit: der Feuerwehrflugdienst des Landesfeuerwehrverbandes. Seit dem Aus für den Flugplatz in Eddesse vor zwei Jahren hat der Stützpunkt Peine eine neue Heimat in Hildesheim gefunden. Eine Halle für die rote Cessna 206 mit dem weißen Feuerwehr Schriftzug. Und eine Start- und Landebahn für die acht Piloten, zehn Beobachter von der Feuerwehr und 13 von den Landesforsten. Alle sind hier ehrenamtlich im Einsatz, so wie Rolf Feldmann, der Mann aus dem Landkreis Gifhorn. Seit 1987 hebt er ab. Drei Mann im Flieger, Feldmann sitzt vorne rechts. Immer, wenn die Waldbrandgefahr am größten ist, geht es los. Wenn draußen die Sonne brutzelt, wird es auch im Cockpit heiß, das ist kein Vergnügungsflug. Der Kurs: von Hildesheimaus Richtung Nord / Nordost nach Lehrte. Dann ostwärts in Richtung Südheide, auch über Meinersen, den Ort der Tragödie vom 10. August 1975. Die Flieger legen pro Rundkurs, der sie bis nach Visselhövede im Walsroder Bereich führt, 287 Kilometer zurück. Die Fläche, die sie da in drei Stunden umfliegen, mißt fast 2500 Quadratkilometer. Ein riesiges Areal mit reichlich Nadelwäldern, die brennen können wie Zunder. Doch aus 2000 Fuß, rund 600 Meter Höhe läßt sich weit blicken, fallen Rauchfahnen auf. „Da sieht man sogar ein Grillfeuer in 30 Kilometer Entfernung”, sagt Feldmann. Auch heute hätte er gute Sicht. „Rund 40 Kilometer weit”, schätzt Pilot Christian Ahäuser, mit dem Feldmann jetzt über die Rasenfläche zum einmotorigen Propellerflugzeug schreitet. An ihrer Seite: Forstinspektor Oliver Glaschke, der dritte im Team. Auch der Mann vom Forstamt Reinhausen bei Göttingen ist in der Freiwilligen Feuerwehr, genau wie der Pilot. „Anfliegen” heißt der Termin, zu dem sich die Truppe in Hildesheim getroffen hat. Drei Starts und drei Landungen sind nach der Winterpause Pflicht, auch für Pilot Ahäuser, der im „wahren Leben” ganz andere Maschinenfliegt. Der 32-Jährige Bad Harzburger sitzt sonst als Co-Pilot in Frachtmaschinen vom Typ Boeing 777 für das Leipziger Unternehmen Aerologic – jetzt hockt er im sechssitzigen Hochdecker, prüft das Triebwerk und läßt an der Rollbahn zum Test den Motor röhren. Alles in Ordnung, schon schiebt die 300-PS-Maschine den Flieger bei heftigem Seitenwind aus südlicher Richtung über die Startbahn. Und hinauf in die Platzrunde am grauen Aprilhimmel. Vom Boden aus blickt Lothar Gödecke dem Trio in der Cessna hinterher. Der Peiner Kreisbrandmeister leitet den Stützpunkt, hat zum Start in die Saison nicht nur Michael Sander, den Geschäftsführer desLandesfeuerwehrverbandes eingeladen, sondern auch Landwirtschaftsmimister Gert Lindemann. Der Politiker mußte absagen – wäre er in Hildesheim erschienen, hätten ihm Gödecke und Sander aber einiges zu erzählen gehabt. „Ich habe den Eindruck, daß die Rahmenbedingungen schwieriger werden”, sagt Gödecke, und Sander führt aus, warum. Daß sich das Landwirtschaftsministerium aus der Waldbrandvorsorge mittels Flugbereitschaft heausgezogen habe und stattdessen auf 20 am Boden installierte Kameras setze, sei unglücklich. Zum einen sei das nicht günstiger: 60 000 Euro kostet der Betrieb der beiden Flugzeuge (Nummer zwei ist in Lüneburg stationiert) alle Arbeit wird ehrenamtlich erledigt. Zum anderen, da sind sich die Feuerwehrleute einig, können die Teams in der Luft Dienste leisten, die nicht durch Technik zu ersetzen sind. Die Besatzung der kleinen roten Maschine mit der Kennung D-EFVP, die nach wenigen Minuten von Osten kommend wieder zur Landung ansetzt, sieht das genauso. Wenn es ernst wird, kann Rolf Feldmann dem Einsatzleiter am Boden am besten sagen, welche Feldwege bei der Anfahrt zur Sackgasse werden. Er sieht, wo die beste Wasserentnahmestelle liegt und in welche Richtung der Wind die Flammen treibt. „Wir sind das Auge des Einsatzleiters in der Luft”, sagt er. Auch der Mann hinter ihm, der seine topografischen Karten inzwischen auf dem iPad wälzt, hat Wissen, das er erst aus der Höhe voll entfalten kann.Forstinspektor Glaschke sieht, ob sich die Flammen mühsam durch Laubwälder oder rasend schnell durch Kieferschonungen fressen – und kann deshalb helfen, die Einsatzkräfte effektiv zu dirigieren. Als vor fast 37 Jahren die Heide brannte, kreiste kein Flugzeug, um den verzweifelten Rettern am Boden mit solchen Informationen zu helfen. Rolf Feldmann und seine Kollegen wollen es nicht noch einmal so weit kommen lassen. Sie haben das „Anfliegen” abgehakt, wie jedes Jahr, halten sich bereit. Um abzuheben, wenn es richtig heiß wird. Die Feuerwehr-Cessna rund 500 Meter über Hildesheim, unter der Tragfläche sind die Nordstadt, die Bahnanlage, die Kaiserstraße und die Arneken Galerie zu erkennen – und zum Glück kein Brand weit und breit. Fotos (2): Schlemeyer Drei Männer, sechs Augen und viel Erfahrung: Oliver Glaschke, Christian Ahäuser und Rolf Feldmann (von links) heben in Hildesheim ab. Der Forstinspektor, der Pilot und der Brandmeister bilden ein Team. Veröffentlicht am 24.04.2012 |